Geschichte der musischen Erziehung vor 1959Die Jahre mit Dr. Hans Erdmann
Diese Seite ist einem Mann gewidmet, der das musische Leben an der Goetheschule in den 1950-er Jahren geprägt hat und trotzdem fast in Vergessenheit geraten ist – Dr. Hans Erdmann.
Am 17.07.1949 erhielt die Schweriner Oberschule für Jungen den Namen „Goethe-Schule“. Das Eröffnungsprogramm der Festveranstaltung gestaltete der Schülerchor unter der Leitung von Dr. Hans Erdmann und Fritz Becker. Von Beginn an, also bereits seit über 60 Jahren, sind Musik und Chorarbeit wichtiger Teil der Bildungsarbeit an unserer Schule. Einen entscheidenden Beitrag dazu leistete Dr. Hans Erdmann. Unter seiner Leitung gab es in den Jahren bis 1958 regelmäßig Konzerte und musikalisch-literarische Abende, deren Niveau ein breites Publikum in Begeisterung versetzte.
Dr. Hans Erdmann arbeitete seit 1946 als Musiklehrer an der späteren Goetheschule. Sein Anliegen war es, dem Fach Musik einen angemessenen Platz im Schulleben zu verschaffen und die schulmusikalische Arbeit lebensnah zu gestalten. Ein Schwerpunkt für ihn war dabei die Fortsetzung der Arbeit mit dem Schweriner Schülerorchester, das bereits seit 1910 existierte, sowie der Aufbau eines Chores. Mit der Zusammenlegung der Mädchen- und der Jungenoberschule 1950 entstanden unter seiner Leitung ein gemischter Chor und eine Instrumentalgruppe.
Bei öffentlichen Auftritten erreichten diese Ensembles bald eine hohe künstlerische Qualität. Ein Blick in die Konzertprogramme verdeutlicht die Vielfalt und musikalischen Anspruch Dr. Erdmanns: Musik von der Barockzeit bis in die Gegenwart, Kantaten, Orchesterstücke, Ouvertüren und Sinfonien, aber auch Volksliedsätze und Lieder der neuen Zeit gehörten ins Repertoire.
Höhepunkte der kontinuierlichen musischen Arbeit waren die Burggartenkonzerte. Schüler und Mitglieder der Staatskapelle musizierten gemeinsam und lockten Tausende Schweriner an. Sie zollten den Musikern, Sängern und natürlich ihrem Dirigenten Dr. Hans Erdmann begeisterten Beifall.
1956 fand das traditionelle Burggartenkonzert gemeinsam mit dem Schulorchester der Leibniz-Schule Hannover statt. Zu dieser Schule bestanden enge partnerschaftliche Beziehungen. Auf Einladung reiste eine Delegation der Goetheschule nach Hannover, um u. a. das in Schwerin gegebene Konzert vor Eltern und Schülern der Leibnizschule zu wiederholen. Dr. Erdmann hoffte, dass das gemeinsame Musizieren die Jugendlichen aus Ost und West einander näher bringe. Für ihn war die Wiedererlangung der staatlichen Einheit Deutschlands nur eine Frage der Zeit und dafür trat er öffentlich ein.
Unter den gegebenen politischen Bedingungen blieb es nicht aus, dass Dr. Erdmann mit seinen Einstellungen in das Visier der SED-Funktionäre geriet. 1958 wurde er von der Goetheschule verwiesen und an die Schule in der Bergstraße zwangsversetzt. Das kam einer Degradierung gleich, die seinen Weggang nach Lübeck veranlasste.
Die Chor- und Orchesterarbeit an der Goetheschule erlitt damit einen schweren Rückschlag.
Erst mit Beginn des Schuljahres 1959 begann ein Neuaufbau des Chores unter der Leitung von Heinrich Wieberneit, dessen Tradition bis in die Gegenwart reicht, eine Tradition, die das Wirken von Dr. Hans Erdmann einschließt.
Diese Würdigung entstand anlässlich des 60. Schuljubiläums des Goethe-Gymnasiums 2009.
Wir danken Frau Jaensch, Frau Neumann, Herrn Heidrich, Herrn Bauer und Herrn Meyer-Rienicker für ihre Hinweise und Unterstützung bei der Aufarbeitung der Geschichte der musikalischen Arbeit an unserem Gymnasium.
Vita Hans Erdmann
Lehrer, Musik- und Literaturhistoriker
* 13.02.1911 in Neubrandenburg
† 15.02.1986 in Lübeck
1930 Abitur am Realgymnasium Schwerin; Besuch des Pädagogischen Instituts Rostock;
1932 – 1935 Volksschullehrer; Studium der Musikwissenschaft, Philologie und Psychologie;
1939 – 1942 Dozent für Musikerziehung an der Hochschule für Lehrerbildung Rostock;
bis 1945 Musikerzieher an der Lehrerbildungsanstalt Güstrow;
1945/46 Dozent für Musikerziehung und Psychologie im Lehrerbildungskursus Schwerin;
1946 – 1958 Oberstufenfachlehrer für Musik an der Goethe-Oberschule Schwerin;
ab 1958 im Schuldienst der Hansestadt Lübeck; war nebenamtlich als Musiklehrer tätig; schrieb Abhandlungen, Berichte und Kritiken über musikwissenschaftliche Veranstaltungen in Jahrbüchern und Fachzeitschriften; besorgte Neuausgaben alter Meister und eine Sammlung und Bearbeitung niederdeutscher Volkslieder;
Musikwissenschaftliche Aufsätze in „Musik in Geschichte und Gegenwart“ Bd. 6 und 12, 1940 „Schulmusik in Mecklenburg-Schwerin von Pestalozzi bis zum 19. Jahrhundert“, 1949 „Goethe im volkstümlichen Lied“, 1960 „Volkslieder aus Mecklenburg“, „Schwerin, die Stadt der Musik“